Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.
Offenbarung 21,6
Von meiner ersten Klettertour sind mir drei Ratschläge des Bergführers in Erinnerung: „Wir rennen nicht, nehmen keine Abkürzung und trinken nur in festgelegten Pausen!“ Je höher die Sonne stieg, desto schweißtreibender wurde die Aktion. Mein Durst wurde immer heftiger! Am Gipfelkreuz ausruhen und endlich trinken zu können, war ein großartiges Gefühl! Und das bei dem Panoramablick von oben…
Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, gewährt uns der Seher Johannes den Ausschnitt eines Panoramablicks auf das himmlische Jerusalem. Bei allem Geheimnisvollen bergen die Worte der Offenbarung zutiefst menschliche Sehnsüchte. Johannes spannt einen Bogen von den ersten bis zu den letzten Seiten der Bibel. Dazwischen liegt die Geschichte Gottes mit uns Menschen. Eine Heilsgeschichte, deren Anfang und Ziel in Gott selber begründet liegen. ER allein ist der Garant dafür, dass die Geschichte aller, die seine Worte hören und bewahren, auch meine ganz persönliche Geschichte, zu einem guten Ende kommt. Sein Wort ist immer zugleich Tat. So auch sein Angebot:
„Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“
Wissen wir, was es heißt, durstig zu sein? Der Zugang zu sauberem Wasser ist ein Menschenrecht. Trotzdem sterben jährlich über drei Millionen Menschen, alle zwanzig Sekunden ein Kind, an unzureichender Wasserversorgung. Unvorstellbar! Noch unvorstellbarer wäre es allerdings, wenn Menschen in gefährdeten Regionen das Angebot frischen Wassers ablehnten. Sie stehen Schlange mit ihren Krügen und Kanistern! Weil sie durstig sind und ohne frisches Wasser nicht überleben können.
Es geht um mehr als den Durst nach Wasser.
Es geht um den Durst nach Leben in all seinen Facetten. Die Angebote, diesen Durst zu stillen, scheinen unbegrenzt zu sein. Und wir lassen uns das auch etwas kosten. Die einen investieren alles in Karriere und Anerkennung, in Gesundheit, in die Erfüllung eines Lebenstraumes oder setzen alles in Partnerschaft und Familie. Andere suchen ihr Glück in immer wieder neuen Beziehungen oder rennen von Event zu Event. Manche versuchen es mit einem alternativen Lebensstil bis hin zur Askese. Vieles passiert unbewusst. Das merken wir spätestens dann, wenn die Quellen versiegen, aus denen wir schöpfen. Wenn unsere Gesundheit wackelt, Beziehungen scheitern, Sicherheiten wegbrechen. Manchmal regt sich erst dann die Frage: Aus welchen Quellen lebe ich? Gott will und er allein kann unseren Durst nach Leben stillen aus einer Quelle, die nie versiegt.
Leben aus der Quelle
Das Quellwasser sprudelt, ob wir daraus schöpfen oder nicht. Der Wasserstrom in der Grafik der Künstlerin Stefanie Bahlinger springt auch nicht als erstes in den Blick. Doch er bringt Bewegung ins Bild. Er umspült das braune Gefäß. Darüber schiebt sich ein weißes Gefäß. Beide sind durch ein geschwungenes goldenes Kreuz miteinander verbunden. Es umspannt sie und erstreckt sich vom dunklen unteren Bildrand bis hinein in das warme helle Licht ganz oben. Eine geheimnisvolle Dynamik steckt in der Grafik. Auch ausgelöst durch die intensiv violett – rosa Fläche, die sich mitten ins Bild schiebt, es unterbricht. Violett ist die Farbe der Umkehr. Vielleicht ist diese Fläche ein Spiegel, den Gott mir vorhält. Er durchschaut mich. Wie Jesus die Frau am Jakobsbrunnen. Beim Wasserschöpfen legt er den Finger auf den wunden Punkt ihres Lebens, ihre vielen gescheiterten Beziehungen. Mit dieser harten Wahrheit konfrontiert, lässt er sie nicht stehen, sondern macht ihr ein Angebot, das ihr Leben verändert: „ Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten“. (Johannes 4, 13f) Dieses Wasser spült den Ballast ihres bisherigen Lebens weg. Gerade die vom Leben Gezeichneten und Verletzten lädt Gott zur Quelle ein. Den Gescheiterten und Bedürftigen gilt sein Angebot.
Ganz umsonst
Vielleicht ist das der Punkt, der mir mit meinem Leistungsdenken und Hang zum Perfektionismus widerstrebt. Beide machen auch vor meinem Glauben nicht halt. Ich bin nicht gerne bedürftig. Fehler und Versagen sind nicht vorgesehen. Die Bibel vergleicht uns immer wieder mit Gefäßen. Keinen makellos glänzenden, sondern irdenen! Genau die will Gott mit seinem lebendigen Wasser füllen. Genau da hinein legt er seinen Glanz. So überstrahlt das goldene Kreuz die gesamte Grafik. In ihm liegt das Umsonst begründet. Gott ließ sich unsere Rettung etwas kosten. Das Leben seines Sohnes. Er hat alles bezahlt und beglichen.
Wer das entdeckt, erlebt eine Verwandlung.
Beides vereinigt die Künstlerin in ihrer Grafik: Wasser und Feuer. Gelborange lodert es auf der linken Bildhälfte. Beide haben sowohl zerstörende als auch reinigende Wirkung. Beide verwandeln. Ganz besonders das Feuer des Heiligen Geistes, der in der Pfingstgeschichte als Feuerzunge beschrieben wird. Verwandlung geschieht, wenn ich dieses lebendige Wasser aufnehme und Abgestandenes entweichen kann: Mein Wahn, die Kontrolle über mein Leben zu haben, meine Sorgen und Ängste, die oft größer sind als mein Vertrauen. Was mich blockiert und lähmt, wird fortgespült wie die dunkle Brühe aus dem braunen Gefäß. Das geht nur, wenn ich durchlässig bin. Nur so kann Gott meinen Durst nach Leben stillen.
Vielleicht erklärt das die beiden Gefäßhälften, die zusammengehören, aber nicht zusammen passen. Gott allein schafft das Wunder: er verwandelt die irden-vergängliche in eine ganz neue Form mit Ewigkeitswert.
Das zarte Grün strahlt die unerschütterliche Hoffnung auf das himmlische Jerusalem aus. Johannes gewährt uns einen Blick zur Quelle, dem Thron Gottes, und lässt uns ahnen, was es heißt, dass am Ende der Zeit aller Durst gestillt sein wird. Die Querbalken des Kreuzes ergeben eine goldene Acht, Zeichen für die Ewigkeit. Die ineinander fließenden Blau – und Gelbtöne spiegeln dieses „Gestillt sein“ wieder.
Noch bestimmen Turbulenzen mein Leben. Wie ein Tuch umhüllt die weiße die dunkle Form. Wie ein Segel zieht sie sie durch alle Turbulenzen hindurch zum Licht. Nicht immer fühlen wir diese Leichtigkeit. Oft haben wir schwere Beine auf der Wanderung unseres Lebens. Manche Wegstrecken bringen uns an unsere Grenzen. Manche Durststrecke wird es noch geben. Da gilt Gottes Angebot:
„Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“
ER ist dabei und erinnert daran: Bei mir bist du an der Quelle. Bei mir gibt´s genug, immer genau zur rechten Zeit. Mit deinen Reserven kommst du nicht weit. Ich habe alles dabei, was du brauchst, um ans Ziel zu kommen. Für dich ganz umsonst! Wie ein goldenes Geschenkband verbindet das Kreuz in der Grafik Himmel und Erde – einfach unvorstellbar, dieses Angebot abzulehnen.
Jahreslosung im Verlag am Birnbach
Auslegungstext: Renate Karnstein